Graz (21. Dezember 2022).- Nach dem Motto „Manchmal dürfen auch geschundene Orte wieder heilen” gestalteten Schülerinnen und Schüler der Freien Waldorfschule im Jahre 2020 vor dem „Schlössl” ein Denkmal für die „hiesigen Opfer des NS-Euthanasieprogrammes und die mutigen Menschen, die es zu Fall brachten”. Aus Anlass des Tages der Menschenrechte 2022 kam das Land Steiermark der Bitte der Initiatoren um Manfred Oswald nach und widmete als Eigentümer der Liegenschaft allen von der dunklen Geschichte von Schloss Messendorf Betroffenen eine eigene Gedenktafel.
„Niemals vergessen, aus der Geschichte lernen!", waren sich Landeshauptmann Christopher Drexler, Landesrätin Doris Kampus und Landesarchiv-Direktor Gernot Obersteiner beim jüngsten Besuch der Gedenkstätte einig. Die Inschrift der Gedenktafel, die übrigens Schüler der Landesberufsschule Murau gestaltet haben, spricht für sich: „Zum Gedenken an jene Menschen, die in Schloss Messendorf während Monarchie, Erster Republik oder ,Ständestaat´-Dikatur Unrecht und Gewalt erlitten haben, sowie an jene, die im Nationalsozialismus Medizinverbrechen zum Opfer fielen.”
Geschichte von Schloss Messendorf:
Landes-Zwangsarbeitsanstalt Messendorf Im Jahre 1872 richtete das Kronland Steiermark in Schloss Messendorf eine Landes-Zwangsarbeitsanstalt ein. Im dreistöckigen Zubau neben dem heutigen „Schlössl” mussten etwa 150 Männer (sogenannte „Zwänglinge”), die als rückfällige Straftäter eingestuft wurden, bis zu drei Jahre Zwangsarbeit leisten, die zu einem gesitteten Lebenswandel führen sollte. Einige Jahre später erfolgte der Zubau, in dem ein Gendarmerieposten Quartier bezog. Umfasst war das Anwesen von einer zweieinhalb Meter hohen Ziegelmauer. Im klobigen Gebäudekomplex befand sich auch eine Besserungsabteilung für 12- bis 18-jährige Knaben und Jugendliche (sog. „Corrigenden”), die ab 1920 die Bezeichnung „Landes-Fürsorgeanstalt Lichtenhof” trug und bis 1930 bestand. Die Zwangsarbeitsanstalt wurde im Jahr 1933 aufgelassen. Diese Anstalt stellte einen gefürchteten Ort dar, deren Insassen lieber im Gefangenenhaus Karlau einsaßen als in Messendorf.
Anhaltelager Messendorf Während der „Ständestaat"-Diktatur diente der Gebäudekomplex von Schloss Messendorf in den Jahren 1934/35 als Anhaltelager für etwa 250 Männer aus verbotenen politischen Parteien (Nationalsozialisten, Sozialdemokraten, Kommunisten, Landbündler). Sie saßen hier ohne Gerichtsurteil in einem „Notarrest” in Haft. Im Zuge des NS-Putschversuches kam es am 26. Juli 1934 zu einem Angriff der SA, um Nationalsozialisten aus dem Lager zu befreien und mit ihnen den Marsch auf Graz durchzuführen. Durch die Anwesenheit einer halben Bundesheer-Kompanie scheiterte der Angriff, der zwei SA-Männer auf der Flucht das Leben kostete.
Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke, Zweiganstalt Messendorf Die Zweiganstalt der Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke „Am Feldhof” bestand von Mitte 1933 bis Februar 1934 sowie von 1936 bis 1978. Die dunkelste Zeit brach während des nationalsozialistischen Regimes an, als 1940/41 zwölf Transporte mit 1177 Menschen von Graz in die Vernichtungsanstalt Schloss Hartheim bei Linz erfolgten, die dort durch Gas ermordet wurden. Darunter befanden sich 82 Patienten aus der Zweiganstalt Messendorf. Bis zur Schließung der Zweiganstalt 1978 waren die hygienischen Zustände äußerst miserabel, besonders wegen des sog. Fasslsystems – die gesammelten Fäkalien wurden einfach auf der Wiese entleert. Nach der Sprengung der meisten Gebäude (Spital, ehem. „Notarrest”) im Jahr 1980 wurde das Gelände planiert, auf dem Anwesen blieb nur das denkmalgeschützte „Schlössl” mit seinem Uhr-Zwerchgiebel erhalten.
Freie Waldorfschule Graz Im Jahre 1985 begann eine gänzlich neue Epoche auf dem Anwesen St.-Peter-Hauptstraße Nr. 182. Auf 99 Jahre gepachtet, dient das weitläufige Gelände von Schloss Messendorf nun dem „Lernen mit Kopf, Herz und Hand”, den pädagogischen Grundsätzen der Freien Waldorfschule entsprechend getragen von positiver Energie und größtmöglicher Freiheit.
Graz, am 21. Dezember 2022 |